Träge Digitalisierungs-Transformation?

ITIL4 ein Transformations-Booster?

Digitalisierung und ihre Auswirkung auf die Unternehmenskultur

Ich kann mich noch daran erinnern als mir das Schalenmodell der menschlichen Kompetenzen nach J. Fuchs in einem Seminar nahegebracht wurde und auch damals schon die Aussage getroffen wurde, dass Fach- und Methodenkompetenz leichter zu qualifizieren sind als Soziale und Persönlichkeits-Kompetenz (Je weiter "innen" eine Kompetenz positioniert ist, desto später wurde diese gelernt und desto leichter lässt diese sich ändern). Das leuchtet natürlich sofort Jedem ein, und trotzdem wird heute dennoch viel zu oft zum einen bei Einstellungen ein zu hoher Wert auf Ersteres gelegt, zum anderen werden innerhalb von Organisationen Weiterbildungen für Fach- und Methodenkompetenzen zuhauf angeboten, wenige bis gar keine aber für die Persönlichkeitsentwicklung und Soziale Kompetenz (Weiterbildung für Soziale Kompetenz ist meist nur ein Angebot für Führungskräfte).

Abbildung 1 Schalenmodell nach J. Fuchs

Abbildung 1 Schalenmodell nach J. Fuchs

Unternehmen stehen heute unter einem großen Transformations-Druck, die Digitalisierung hält Einzug in jeden Unternehmensbereich, ein Wandel, der alle Menschen in der Organisation betrifft und welche ihn auch im Sinne der Unternehmensentwicklung mittragen sollten. Nicht jeder ist sich bewusst über die Vorteile und Notwendigkeit der Digitalisierung oder Umstrukturierung in seinem Bereich, nicht jeder ist offen für diesen Wandel. Auch mit der Transparenz, welche durch Digitalisierung entsteht, hat der ein oder andere Bedenken und lebt Zurückhaltung, was auch immer persönliche Gründe sein mögen, so sollte dies sensibel und aufmerksam betrachtet werden. Auch ist die Entwicklung der digitalen Kompetenz von verschiedenen persönlichen und systematischen Faktoren abhängig (siehe Abb. 2 - Digitale Kompetenz), welche es zu ergründen und zu fördern gilt.

Veränderung bringt oft Ängste hervor und oben genannte Bedenken rühren aus der Persönlichkeit und Prägung des Einzelnen und führen zu entsprechenden Ängsten. Hier gilt es eine offene und mitnehmende Kommunikation bei Neuausrichtung und Anpassungen von langjährig gelebten Prozessen und Strukturen zu leben. Um Mitarbeitern Sicherheit und Kompetenz für bevorstehende Veränderung zu geben, sind Weiterbildungen und Trainingsangebote ein wichtiger Baustein. Insbesondere hier gilt es nicht nur die fachlichen Kompetenzen zu stärken, sondern auch für Coachings oder Seminare für Persönlichkeitsentwicklung und Soziale Kompetenz Angebote zu unterbreiten. Vor allem Führungskräfte und Management müssen in der Lage sein, die Mitarbeiter empathisch an ihrer jeweiligen und individuellen Stelle "abzuholen" und mitzunehmen. Auch die Reflexion darüber, ob die aktuelle Unternehmenskultur die Herausforderungen in dieser Form so leisten kann, sollte selbstreflektorisch durch das Management betrachtet werden. Hieraus können sich in ehrlicher und kritischer Betrachtung auch Änderungen innerhalb der Unternehmenskultur auf allen Ebenen ergeben. Und Dinge benötigen ihre Zeit, so kann eine große Dynamik und Geschwindigkeit einen hohen ungewollten Druck aufbauen, der die Organisation, als auch den Mitarbeiter als Individuum überfordert. Agilität, Empathie und Menschlichkeit sind im Unternehmen daher mehr denn je gefragt.

Abbildung 2 Blockaden der Entwicklung digitaler Kompetenz (Quelle: 'Digital natives: myth busted Digitale Kompetenzen und habituelle Verstrickungen' von Andrea Schaffar und Claudia Friesinger)

Abbildung 2 Blockaden der Entwicklung digitaler Kompetenz (Quelle: "Digital natives: myth busted Digitale Kompetenzen und habituelle Verstrickungen" von Andrea Schaffar und Claudia Friesinger)

ITIL4 ist hier ein gutes methodisches und ganzheitliches Werkzeug, welches Organisationen hilft, einen roten Faden zu spinnen, um ganzheitlich, strukturiert und mit Best Practices die Herausforderungen zu bewältigen. Mit diesem Framework gibt es keine Vorgaben wie etwas gemacht werden muss, sondern gibt bewährte Praktiken und allgemein anerkannte Regeln an die Hand, die bei der Prozessüberarbeitung bzw. -definition eine gute und ganzheitliche Unterstützung bieten. Wer allein die 7 Leitprinzipien von ITIL4 schon verinnerlicht (hat), ist bereits auf einem sehr guten Weg! Doch genau da gibt es noch einige Optimierungspotentiale in vielen Unternehmen.

Abbildung 3 Die 7 Leitprinzipien nach ITIL4

Abbildung 3 Die 7 Leitprinzipien nach ITIL4

Diese 7 Leitprinzipien sollten in einem Unternehmen nicht nur kommuniziert, sondern bewusst (vor)gelebt werden. Auch sollte ein einheitliches Verständnis dieser Prinzipien geschaffen werden, was wiederum Kommunikation, Feedback und vor allem Vorleben erfordert. Auf die Themenbereiche Kommunikation und Kultur geht ITIL4 auch verstärkt ein, da diese essenziell eine Veränderung vorantreiben oder blockieren können. ITIL4 beschreibt hier z.B. die Grundprinzipien einer jeden Kommunikation, unter anderem, dass wir alle immer und überall kommunizieren und dass keine einzige Kommunikationsmethode für Alle(s) funktioniert. Und ein ganz wichtiges Prinzip, welches sensibel betrachtet werden sollte: Die Nachricht ist im Medium - "The medium is the message" (Marshall McLuhan). Es spielt eine große Rolle, welche Nachricht über welches Medium verbreitet wird, es hat sehr wohl eine Bedeutung, ob man persönlich von einem Vorgesetzten über Änderungen in der Unternehmensstruktur informiert wird oder nur über eine unpersönliche E-Mail oder einen Newsletter. Oder ob die Vision eines Unternehmens sich in den Unternehmens-Medien widerspiegelt oder nur auf der Tonspur in einem Meeting erwähnt wurde.

Je nachdem, was man als Nachricht transportieren möchte und welche Erwartung(en) man damit verbindet, das Medium sollte bewusst gewählt werden. Dies gilt natürlich nicht nur für interne Kommunikationsprozesse sondern auch für die Services, welche ein Unternehmen am Markt anbietet. Service-Mindset und Service-Empathie gilt es auch hier intern regelmäßig Verbesserungsprozessen zu unterziehen. Solange ein Mitarbeiter den Mehrwert seines Beitrages zur Erbringung eines Services nicht vollumfänglich versteht, wird hier ein Gap entstehen, welcher negative Auswirkungen auf den Service haben kann.

Das Leitprinzip "Ganzheitlich denken & arbeiten" ist das herausforderndste der 7 Leitprinzipien nach ITIL4, denn dieses erfordert Fähigkeiten aus allen Kompetenzfeldern, vor allem aber aus der Sozialen- und Persönlichkeits-Kompetenz. Und hier wurde in den letzten Jahrzehnten einfach zu wenig gefördert, so dass sich auch da die größten Schwachstellen offenbaren. An dieser Stelle haben Unternehmen die größte Lernkurve und vor allem Chancen. Wenn der ganzheitliche Ansatz vollumfänglich umgesetzt wird, wird dies nicht nur ein Gewinn für das Unternehmen selbst, sondern sogar für die Gesellschaft und direkte Umwelt, da wirklich alle Aspekte des unternehmerischen Handelns und dessen Auswirkungen betrachtet und einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess unterzogen werden.

Technisch können die 7 Leitprinzipien durch verschiedene digitale Anwendungen gefördert werden, wie Collaboration- , ITSM- , Monitoring-, Automatisierungs-, Prozessmanagement-, Ideenmanagement-, uva. Tools. Auch hier sollte jedes Tool mit den Leitprinzipien hinterfragt werden, bei einer Neu-Einführung auf Integration in die bestehende IT-Landschaft und vor allem auf Miteinbeziehung der betroffenen Mitarbeiter von Anfang an geachtet werden. Um beweglich in diesem Prozess zu bleiben, sollte das Prinzip der kleinen Schritte verfolgt werden und jeder Meilenstein bewusst wahrgenommen, gefeiert und das Ergebnis Feedbackschleifen unterzogen werden, um auch hier die Entwicklung an sich ändernde Anforderungen schnell anpassen zu können. Mitarbeiter treiben Projekte/Themen mit Freude und Motivation voran, wenn sich für sie ein Sinn erschließt. Sinnhaftigkeit basiert auf dem Verständnis zur Sache. Verständnis setzt wiederum Transparenz und offene Kommunikation voraus. Wenn eine Anwendung keine Akzeptanz der Mitarbeiter und Anwender erfährt (durch z.B. fehlende Kommunikation, fehlende Weiterbildung, falsches Verständnis des Wertschöpfungsprozesses), bleibt die Transformation an dieser Stelle stecken und es ist ein sehr hoher Aufwand nötig, hier wieder Fahrt aufzunehmen (hier ist durchaus auch die Gruppendynamik nicht zu vernachlässigen). Mit Einzug agiler Methoden, welche auch in ITIL4 Beachtung finden, hat man sehr gute Werkzeuge an der Hand, auf Veränderungen schnell reagieren zu können und Time to Market zu verkürzen. Das gelingt aber nur, wenn alle Mitarbeiter in diesen Methoden geschult und vor allem eine Kultur geschaffen wird, welche Agilität, Zusammenarbeit und Transparenz fördert und damit Silos aufbricht.

Abbildung 4 Entwicklung zur agilen Organisation als neues Organisationsparadigma (Quelle: 'The 5 Trademarks of Agile Organizations' McKinsey&Company)

Abbildung 4 Entwicklung zur agilen Organisation als neues Organisationsparadigma (Quelle: "The 5 Trademarks of Agile Organizations" McKinsey&Company)

Des Weiteren gibt ITIL4 mit seinen Praktiken bewährtes Know-how für die Neueinführung oder Neuausrichtung von digitalen Prozessen an die Hand, welche eine sehr gute Orientierung und Struktur bieten. Bekannt sind diese Praktiken als Prozesse aus ITIL v3, in ITIL4 beinhalten die Praktiken eine ganzheitlichere Sicht als bloß den Prozess an sich. D.h. der Schwerpunkt liegt mehr auf den organisatorischen Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten einer Organisation. Dabei spielt die Balance der vier Dimensionen des Servicemanagements eine große Rolle und diese beschränken sich nicht nur auf einen Abschnitt eines Service, sondern auf das gesamte Service-Werte-System. Was mit ITIL v3 nicht klar ausgedrückt wurde und dabei zu starren Definitionen von Prozessen ohne entsprechende Berücksichtigung der Menschen und Tools führte, wodurch ITSM-Strategien in vielen Organisationen scheiterten, wurde mit dem Konzept von ITIL4 erheblich erweitert und ganzheitlich umgesetzt. Es geht um eine richtige Beachtung der 4 Dimensionen - Organisationen und Menschen, Informationen und Technologien, Partner und Lieferanten, Werteströme und Prozesse - und diese sind grundsätzlich bei jedem einzelnen Service zu betrachten und wenn nötig, anzupassen. Um aber genau in dieser Lage zu sein, seine bestehende Kultur, Strukturen und Prozesse ganzheitlich betrachten und hinterfragen zu können, sind einige Fähigkeiten aus den Persönlichkeits- und Sozialen-Kompetenzen nötig.

Das bringt mich zu dem Fazit, dass Kultur und Werte einer Organisation immer mehr in den Vordergrund rücken und Organisationen sich noch mehr gegenüber neuen Arbeitsmodellen öffnen dürfen. Dies sollte aber nicht nur auf funktioneller/methodischer Ebene passieren, sondern vor allem auch auf mentaler/kultureller Ebene. Positiv sind hier die notwendigen Anpassungen der Arbeitsmodelle aus der Coronazeit zu betrachten, in welcher viele Unternehmen gezwungen waren neue Wege zu gehen und feststellen durften, dass sich hier Mehrwerte ergeben haben. Es ist aber nicht nötig erst durch Druck von außen solche Änderungen anzuschieben, bei regelmäßigem Review und Realitätscheck seiner Unternehmenswerte und Kultur kann man auch in kleinen Schritten sich immer mehr neuen Modellen öffnen. Die Holzhammermethode ist zwar sehr effektiv, doch Effizienz kommt leider erst nach einer Leidensphase und das Risiko entsprechender Kollateralschäden ist sehr hoch. Das kann wiederum zu hoher Frustration, Resignation und erhöhter Fluktuation führen. So weit muss es nicht kommen, durch vorausschauende Strategien kann man diese Szenarien so gut wie möglich vermeiden. Die kontinuierliche Verbesserung sollte immer im Fokus stehen und bewusst gefördert werden. ITIL4 bietet sehr gute Ansätze, die es lohnt, genauer betrachtet zu werden.

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